Schweres Zugunglück bei Förtschendorf

Am Freitag morgen gegen 03:00h befuhr ein Traktor mit Anhänger die B 85 in nördliche Richtung

Auf Höhe des ehemaligen Steinbruchs kam der 63 jährige Fahrer aus noch ungeklärter Ursache nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr im Grünstreifen ungebremst weiter und kam nach etwa 30 mtr auf den Bahngleisen der Hauptstrecke München-Berlin zum stehen.

Kurze Zeit später rauschte aus südlicher Richtung der Euro-City Nachtzug Wien-Berlin heran und erkannt das  nach einer Kurve auf den Gleisen stehende Gespann zu spät. Trotz einer Notbremsung wurde der Traktor voll erfasst, in Stücke gerissen und die Einzelteile auf eine Länge von etwa 300 Metern verteilt. Der Traktorfahrer wurde dabei aus seiner Kabine geschleudert, mitgerissen und blieb schwer verletzt im Gleisbett  liegen. Ein Teil der Traktorentrümmer geriet bei dem Unfall in Brand.

Der Lokführer erlitt einen Schock und die etwa 100 Fahrgäste wurden durch den Anprall unsanft geweckt. Zum Glück wurde niemand im Zug verletzt.

Von der Polizei in Kronach wurde zunächst nur Alarmstufe 2 ausgelöst und die Feuerwehren Steinbach am Wald, Pressig und Förtschendorf alarmiert. Die Anforderung für das THW kam kurze Zeit später telefonisch vom Notfallmanager der Deutschen Bahn AG.

Gegen 03:30 rückten Zugführer Oliver Ramm und der Leiter vom Dienst, Udo Höfer mit dem ELW Sprinter zum Unglücksort ab um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Nach kurzer Sondierung und Absprache mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr wurden aus Kronach der Unimog, der Gerätekraftwagen GKW I und der Anhänger mit dem Einsatz-Gerüstsystem sowie einige Helfer nachgefordert.

Beim Eintreffen am Unglücksort bot sich den THW-Helfern ein Bild der Verwüstung. Ein Teil der auf dem Traktoranhänger verladenen Strohballen war ringsum verstreut und die Einzelteile der Zugmaschine waren auf mehrere hundert Meter verteilt. Die Vorderachse des Traktors war vom Zug mitgeschleift worden und steckte jetzt etwa 300 mtr nach der Anprallstelle unter der entgleisten Lok. Bevor jedoch mit den Bergungsarbeiten begonnen werden konnte, mussten erst ein Sachverständiger und Polizeikräfte die Spuren sichern.

Als diese Ihre Arbeit beendet hatten, begann ein Teil der THW-Kräfte zusammen mit der Feuerwehr, die im Gleisbett verteilten Kleinteile des Traktors einzusammeln und sicherzustellen, während der Rest der Mannschaft mit der Seilwinde des GKW begann, die großen Strohballen von den Gleisen an den Straßenrand zu ziehen. Ein herbeigerufener Landwirt nahm die Rundballen dort mit seinem Frontlader auf und schaffte sie zur Seite.

Die Fahrgäste befanden sich noch immer in den Waggons. Da keine Gefahr für die Reisenden bestand -  und auch um diese von den Bergungsarbeiten fern zuhalten, entschloss sich der Bahn-Notfallmanager, den Zug nicht zu evakuieren. Nach einiger Zeit traf eine Ersatzlokomotive ein, die die Reisewagen übernahm und in den Bahnhof Pressig verbrachte. Dort wurden die Fahrgäste von Roten Kreuz verpflegt, bevor sie mit Bussen die Heim- bzw. Weiterreise antraten.

Nun konnte mit der Bergung des landwirtschaftlichen Anhängers begonnen werden. Dieser stand auf dem Nebengleis, war offenbar nicht weiter beschädigt – und an der Zugdeichsel hing noch die Hinterachse des verunfallten Traktors. Als die restlichen Rundballen vom Anhänger abgeladen waren und die Fragmente der Traktorenachse abgekuppelt waren, zogen die THW-Helfer den Anhänger mit der Seilwinde zurück auf die Straße. Da die Vorderachse aber zwischen den Gleisen stand, musste zunächst eine Hilfskonstruktion gebaut werden, so dass die Reifen die Schienen überwinden konnten. Erschwerend kam hinzu, dass sich direkt neben dem Gleis ein offener Kabelgraben der Bahn befand, in dem Telefon- und Signalleitungen lagen. Um diese nicht zu beschädigen, musste der Graben zunächst mit dicken Bohlen abgedeckt und so befahrbar gemacht werden.

Als der Anhänger wieder zurück auf die Straße gebracht war, ergab eine kurze Überprüfung dass er noch fahrbereit war. Daher wurde er kurzerhand an den THW-Unimog angekuppelt und zum Einsammeln der größeren Schrott-Teile verwendet.

Mit der GKW-Seilwinde wurden nun die Hinterachs-Reste von den Gleisen gezogen und mit dem Rückegreifer eines anderen Traktors auf den Anhänger verladen. Zwischenzeitlich war auch ein Hilfszug der Bahn AG aus Nürnberg mit einem Aufgleis-Team am Unfallort eingetroffen.  Die Spezialisten hoben mit grossen Hydraulikzylindern die 84 Tonnen schwere Lokomotive zunächst an und als die Vorderachse des Traktors mittels der THW-Seilwinde herausgezogen worden war, konnte die Lok wieder in die Schienen gehoben werden.

Nachdem  die sichergestellten Fahrzeugfragmente an einen Abschleppunternehmer übergeben worden waren, kehrten die THW-Helfer in die Unterkunft zurück und konnten den Einsatz am späten Vormittag beenden.

Die B85 war während der gesamten Zeit komplett gesperrt und auch der Zugverkehr auf der Hauptstrecke München-Berlin war stundenlang unterbrochen. Somit waren die beiden Hauptverkehrsachsen des nördlichen Landkreises durchschnitten und der Verkehr in der Rennsteigregion kam mehr oder weniger zum Erliegen. Etwa 1000 Schüler aus dem oberen Frankenwald, die weiterführende Schulen in Kronach besuchen, kamen mit erheblicher Verspätung oder gar nicht zum Unterricht.

Wie hoch der entstandene Sachschaden ist, kann gegenwärtig noch nicht beziffert werden. Durch die stundenlange Streckensperrung mussten etliche Züge umgeleitet oder angehalten werden, was erhebliche Kosten verursachen kann. An der Lokomotive entstand nicht unbedeutender  Sachschaden, der Gleiskörper wurde auf beachtlicher Länge beschädigt  und durch ausgelaufenes Öl und Dieselkraftstoff wurde das Erdreich verseucht.

Das dieser Unfall nur eine verletzte Person forderte, ist einer Vielzahl glücklicher Umstände zu verdanken. So zum einen, dass es sich um einen normalen, Lok-bespannten Zug handelte -  die Lokomotive nahm durch ihr Gewicht über 80 Tonnen einen Großteil der Aufprallenergie auf und hielt diese so von den Waggons fern. Zum anderen trug die Tatsache bei, dass der Zug an dieser Stelle bergaufwärts und wegen einer Baustelle nur 50 km/h fuhr.

Was passieren hätte können, wenn ein leichter ICE-Triebwagenzug mit voller Reisegeschwindigkeit auf den Traktor geprallt wäre, kann sich sicher jeder selbst ausmalen...

Im Einsatz waren 10 Helfer des THW-Ortsverbandes Kronach, der Gerätekraftwagen GKW I, der Anhänger mit dem Einsatzgerüstsystem, der Unimog und 2 Einsatzleitwagen.

Leiter vom Dienst: Udo Höfer

Bericht: Hajo Badura /  Fotos:  Dominik Lauer


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